Vorspiel
Es ist wirklich fraglich, ob es gut ist seine Tourplanung für so eine Reise an eine Rally anzupassen. Wenn man allerdings so wie wir Fan dieses Sportes ist, hat man eine Idee davon, dass es sich doch lohnen könnte. Dass dieses Erlebnis jedoch ein absolutes Highlight unserer Reise werden würde, ahnten wir da noch nicht. Und das kam so:
Mit viel Erbrechen und schlechten Gefühlen fahren wir über den Paso San Fransisco in die Minen- und Arbeiterstadt Copiapo in der Atacamawüste. Völlig kaputt erreichen wir die chilenische Version Wanne-Eickels (oder so wie wir es uns vorstellen). Industrie so weit das Auge reicht, unansehnliche Häuschen, hektisches Treiben in der Stadt.
Wir sind seit Jahren Fans der Rally Dakar. Als Zuschauer ist das ziemlich doof, denn die einzige Möglichkeit dieses „letzte große Abenteuer“ im TV zu verfolgen, sind die täglichen kurzen 15 Minuten Berichte gegen 23:30 auf Eurosport. Hier wird großer Sport geboten und es spielen sich kleine und große Dramen ab. Keine Ahnung, warum das bei uns nicht beliebter ist? Die Atacama Rally ist nun ein Rally WM Lauf und Vorbereitung nahezu aller Topathleten auf die Dakar Rally. Und so sind auch alle großen Stars der Szene vor Ort. Toby Price und Matthias Walkner, beides Dakar Gewinner von KTM, sämtliche Honda Stars von Joan Barreda, Ricky Brabec, Kevin Benavides bis Lokalmatador Nacho Cornejo, Husqvarna mit ihren Superfahrern Andrew Short und Pablo Quintanilla. Hammer!
Wir hatten im Vorfeld versucht, Infos für Zuschauer über die Rallyorganisation zu erhalten. Man antwortete nett, aber es war (und das ist scheinbar typisch hier in Chile) nicht möglich irgendwelche verwertbaren Infos zu erhalten. Egal, wird schon irgendwie klappen.
Wir sind schon zwei Tage vor der Rally in Copiapo und haben wirklich Glück, die komplette Veranstaltung vom Aufbau des Fahrerlagers bis zur Teilnehmer-Abschlussparty mitzuerleben. Bei einem ersten Besuch des Fahrerlagers werden wir sofort von diversen Teilnehmern, Technikern und Organisatoren gefragt, wer wir denn seien und was wir hier machen würden. Das fängt schon mal toll an, denken wir, sollte aber nur der Auftakt für eine unvergessliche Woche werden.
Tag 1 - Technische Abnahme
Das Fahrerlager liegt ca. 20 Motorradminuten entfernt von Copiapo in einem kleinen Örtchen namens Tierra Amarilla. Für uns ist es gut, dass dieser Sport extrem wenig Fans hat und so können wir
uns ungehindert überall hin bewegen. Bei der technischen Abnahme wird gecheckt, ob die Motorräder dem Reglement entsprechen, also z.B. die Lautstärkenorm erfüllen u.ä.. Für uns sehr erstaunlich
führt hier doch jeder Fahrer sein Bike selbst und höchstpersönlich vor.
Generell ist nichts abgesperrt und so kommen wir direkt mit Ricky Brabec ins Gespräch. Der US Amerikaner, der bei der letzten Dakar kurz vor Ende des Rennens aufgrund eines Motorschadens den Sieg
abschreiben musste, ist sofort bei einem kleinen Plausch dabei. Wir erzählen ihm von unserer Reise, er ist begeistert, signiert gleich mal Utas CRF und sinniert darüber, dass er sich auch mal
Zeit für eine längere Motorradreise nehmen sollte. Auch Toby Price und Matthias Walkner nehmen sich die Zeit für Fotos und Gespräche mit uns. Völlig entspannt. Echt nette, kernige Typen.
Nun will aber auch das Honda Rally Team wissen wer wir sind. Herr Hanawa seines Zeichens Senior Engineer von HONDA USA ist so angetan, dass er unbedingt will, dass wir uns bei ihm melden, wenn wir Los Angeles erreichen. Ich schätze mal, dass uns Honda dann neue Bikes zur Verfügung stellt (kleiner Witz -Ist ja denn eh alles anders gelaufen und Herr Hanawa wollte uns auch gar nicht helfen).
Aber auch in Deutschland unbekanntere Fahrer, wie der chilenische Jugendweltmeister und Sohn von Dakar-Legende Carlo de Gavardo – Tomas de Gavardo verwickelt uns in einen Smalltalk und will alles von uns wissen. Wir aber auch von ihm. Dass es sich hier nicht nur um leeres Gewäsch handelt, zeigt sich 2 Wochen nach dem Rennen. Wir liegen mit Motorschaden in der Wüste von San Pedro de Atacama, wissen nicht was wir machen sollen und kontaktieren schließlich, weil nichts mehr geht, Tomas über Instagram. Der hilft sofort und schickt uns einen (Dakar) Mechaniker, der unsere CRF mit den Worten – I love motorbikes – an einem Feiertag in seine Werkstatt holt. Ja, wir haben den Eindruck, dass hier wirklich zusammen gehalten wird und der Werteverlust in diesem Sport ziemlich gering ist. Im Übrigen haben dann auch Ricky Brabec und Nacho Cornejo versucht uns zu unterstützen – leider hat es nichts gebracht, war aber eine tolle Geste.
Tag 2 - Der Prolog
Glücklicherweise können wir vor Ort herausfinden, wo der Prolog – sozusagen ein Minirennen über wenige Kilometer – stattfindet. Vom Fahrerlager fahren wir die ca. 30 Kilometer bis zum Start und
werden dabei ständig von Price, Barreda, Brabec und Co. überholt. In welchem Sport gibt es das sonst noch?
Der Prolog findet in einem sehr steinigen, ausgetrockneten Flußbett statt. Auch hier gilt wieder: Sport zum Anfassen. Keine Absperrungen, keine Ordner, die einen vertreiben. Hier stehst du direkt
neben den Athleten und kannst dir alles aus der Nähe angucken. Auch die Fahrer. Aufgereiht wie an einer Perlenkette stehen die Maschinen nebeneinander und die Teams diskutieren über die Strecke.
Wir schießen ein paar Fotos und merken, dass man normalerweise niemals so dicht an den Spitzensport kommt, es sei denn man ist ein Teilnehmer. Wir gehen in Position und ab geht das Rennen. In
absolut halsbrecherischer Geschwindigkeit heizen die Athleten über das lockere, steinige Flussbett und driften in jede Kurve, dass einem schwindelig wird. Es ist uns ein absolutes Rätsel, wie man
so Motorrad fahren kann. Wir werden komplett eingestaubt, machen Fotos und freuen uns an der Rennaction. Wir müssen den Platz nur mit ein paar einheimischen Fans teilen. Spitzensport gratis und
ohne Beeinträchtigungen irgendwelcher Art. Geil. Als nächstes kommt Tomas. Der ist aber so heiß, dass er nach 500 Metern stürzt. Macht nichts. Aufstehen und weiter heizen.
Nach Ende des Prologs, den Toby Price gewinnt, geht es nach Tierra Amarilla, wo es im Ort noch eine kleine Fahrervorstellung gibt. Auch hier gibt es weder Zäune noch Absperrungen. Alle Fahrer
lassen sich mit der Dorfbevölkerung fotografieren und stehen zum Smalltalk bereit. Wir sind auch schon so bekannt, dass wir mit auf den bewachten Fahrerparkplatz dürfen, werden allerdings
kurzerhand etwas später von einer strengen Dame der Organisation des Feldes verwiesen. Sie will halt auch mal wichtig sein.
Dann kommt ein Herr im Lila Organisations T-Shirt auf uns zu und steckt uns die Koordinaten für den morgigen Start der Etappe zu. Er tut das, weil er uns auch schon mitbekommen hat und ahnt, dass wir morgen dabei sein wollen. Auf offiziellem Weg geht das hier in Chile nicht, das läuft genau so. Es gibt keinen Plan, Flyer oder ähnliches – nur so findet man seinen Weg bei einer Rally. Leute ansprechen, angesprochen werden, dazu gehören. Es handelt sich um eine Topveranstaltung in der Sportwelt, aber man muss offen sein und der Fanpart der Rally ist eine Rally für sich. Nur mit dem absoluten Willen, das Rennen Live zu verfolgen, wird man etwas sehen können. Zum Totlachen, eigentlich.
Wir freuen uns auf die morgige Etappe und fallen schlapp in unser Bett im Hotel. Rallyfan zu sein ist mindestens so anstrengend, wie die Rally selber zu fahren.
Tag 3 - Etappe 1
Die erste Etappe der Rally gestaltet sich für uns ziemlich unspektakulär und wir sind ziemlich sauer, dass wir nur ungenügende Infos erhalten haben. Die Fahrt zum Start führt uns ca. eine Stunde
durch die sandige Atacama Wüste. Am Start angekommen bietet sich ein typisches Sportbild: Redbull Starttor, Helicopter, Teamfahrzeuge und Motorräder. Blöd nur für uns, dass der Start schon früher
war, was wir leider nicht vorher herausbekommen konnten, und wir deshalb viele Fahrer verpassen. Trotzdem spektakulär, wie die Piloten durch den tiefen Sand in Richtung Dünen los sausen. Leicht
frustriert wissen wir jetzt auch nicht, was wir machen sollen.
Da spricht uns eine Frau in Begleitung ihres Mannes an. Auf Deutsch. Fabiana, eine deutschstämmige Argentinierin, die ihren Mann Erick, seineszeichens FIA (Weltverband Motorsport) Kommissar bei
der Rally begleitet. Erick Nevells, ein Amerikaner, der selbst mehrfacher Endurochampion ist und seit Kindestagen in Argentinien lebt, ist unser Jackpot. Wir erzählen ihm von unseren Problemen
bei der Rallyorganisation für Fans und er sagt uns sofort seine Hilfe zu. Follow me. Über fiese Sandpisten fahren wir seinem Wagen hinterher, der uns letztendlich zu WP 4 (Waypoint) führt. Gut,
so können wir an diesem Tag noch eine spektakuläre Dünenauffahrt beobachten, wenngleich die besten Fahrer schon lange im Ziel sind. Die Organisatoren haben sich um eine Stunde verrechnet. Ups,
kann ja mal passieren, typisch südamerikanisch eben.
Zum Abschluss fahren wir noch ins Fahrerlager und klönen mit unseren neuen Bekannten. Es ist irgendwie schräg, denn es wirkt schon fast so, als ob wir dazu gehören würden. Egal ob Volunteer, Mechaniker, Teamchef oder Fahrer – irgendwie kommen wir mit allen ins Gespräch. Da reicht schon blödes Rumstehen von uns, um einen Gesprächspartner zu finden.
Erschöpft, als ob wir selbst teilgenommen hätten und beruhigt, da uns Erick die Daten für den nächsten Tag per Whats app senden würde, fielen wir kaputt ins Bett. Hartes Rallyleben live!
Tag 4 - Etappe 2
Das sollte heute einer der Tage werde, die richtige und unvergessliche Highlights für uns bereit hielten. Aber der Reihe nach:
Das Leben als Rallyfan ist wirklich anstrengend. Gegen 6:00 morgens klingelt der Wecker. Ein Blick aus dem Fenster, es riecht nach Sonne. Dies bedeutet für uns, das wir nicht viel Zeit
verplempern können, da die Etappe bestimmt pünktlich gestartet werden wird. Glücklicherweise haben wir ja von Erick die Daten erhalten und so geht es direkt zum Frühstück. Ebenfalls ist es als
Rallyfan enorm wichtig, sich genug Proviant mit auf die Tour zu nehmen – man weiß nie, wann man irgendwo etwas zu Essen oder Trinken findet. Getankt wird immer abends, das war also schon
erledigt. Jetzt rein in die Klamotten (warm, da es mit 10 Grad am Morgen noch frisch ist), Motorrad mit Kram bepacken, Koordinaten ins Handy eingeben und los geht es. Die Anfahrt zur Etappe
dauert ungefähr eine Stunde. Was wir dabei aber nicht voraussehen können, ist die dicke Nebelwand, die uns kurz vor dem Startpunkt verschluckt. Auf einmal wird es eiskalt und wir können die Hand
vor Augen nicht mehr sehen. Kurz vor dem Etappenstart immer noch das gleiche Bild. Nein, hier kann in absehbarer Zeit kein Rennen gestartet werden. Bibbernd parken wir unsere Motorräder. Ich
versuche direkt neben dem Start zu parken, werde aber weggeschickt und suche mir ein anderes Plätzchen, Uta parkt etwas weiter weg, weil dort der Boden fester ist und die CRF sicher steht. Als
wir uns gerade fragen, wie das ganze wohl weitergehen würde, donnert eine Rallymaschine aus der Ferne heran. Mit einem gekonntem Slide um die Kurve und direkt auf mich zusteuernd erkannte ich
Pablo Quintanilla, der mit einem Guten Morgen Gruß direkt neben mir stehen bleibt. Kurz darauf kommen die KTM Fahrer Toby Price und Matthias Walkner und tun es Quintanilla gleich. Verstehe, dass
die alle gerne neben mir parken. Die wissen schon wer Plan von Parkplätzen hat. Matthias Walkner so: „Grüass di!“.
Ok, ja, die kennen uns wirklich schon.
Bei Uta läuft es noch besser. Joan Barreda donnert als erster Honda Fahrer um die Kurve und erkennt ein rotes Bike. Utas CRF. Das muss der Honda Parkplatz sein, denkt er sich. Kurze Zeit später steht das komplette Honda Team samt Fahrern um Utas Honda versammelt. Könnt ihr euch vorstellen, dass das echt lustig für uns war!? Das ist aber noch nicht alles: Kurze Zeit später stehen Andrew Short (US amerikanische Motocross Legende und Top Rallypilot) in Diensten von Husqvarna und Ricky Brabec vor meiner CRF und fotografieren sie mit einem Handy. Wie geil, da fahren die Typen die absoluten Traummotorräder und fotografieren dann meine CRF!!!???
Das Schauspiel wiederholt sich, als sich Short und Brabeck vor Utas CRF über dieses Traummotorrad unterhalten. "Ja Jungs, ne CRF250L...wenn ihr nett seid, lassen wir euch mal fahren". Erfreulich war auch die Überlegung von Brabeck und Short, ob ein Schaffell für ihre Honda Rally Hobel auf der Sitzbank auch Sinn machen würde.So weit kam es nicht, aber Andrew Short und Joan Barreda signieren noch Utas Motorrad, müssen dann aber zum Start. Der Nebel ist veschwunden.
3,2,1, goooooooo!!! Auf einer kurvenreichen Schotterstrecke brennen die Fahrer ein Feuerwerk ab. Vollgas ab Start, rein in die Kurve mit schräg gestelltem Vorderrad. Brutal. Unmenschlich. Uta und ich stehen mit offenen Mündern da und versuchen die Action auf Kamera zu bannen. Achtung! - nächstes Highlight: jetzt ist unser neuer CRF Fan Andrew Short an der Reihe. Vollgas auf losem Geröll, der Typ erkennt uns am Strassenrand, nimmt eine Hand vom Lenker und grüßt uns mit dem Victory Zeichen. Das hört sich vielleicht nicht so spektakulär an, aber wenn man „betroffen“ ist, zimmert einem so eine Action wirklich ein fettes Grinsen ins Gesicht. Wow, Andrew Short, cooler, netter Typ!
Um es kurz zu machen. Nach dem Start aller Fahrer sind wir über die Panamericana ca. 60 Kilometer zu einem Tankstopp gefahren. In der neutralisierten Zone, wo auch wir fahren dürfen, überholt uns auf einmal Toby Price und fährt ein paar Meter mit uns. Wie geil ist das denn!? Den Tankstopp nutzen wir zur Verpflegung. Die Fahrer müssen hier selbst tanken und dürfen auch sonst keine Hilfe in Anspruch nehmen. Matthias Walkner fragt noch, ob ich Videos gemacht habe. Nö, nur Fotos. Schad`. Nach dem Tankstopp geht die Etappe weiter und wieder einmal wundern wir uns über das Tempo mit dem man ein Motorrad Offroad bewegen kann. Wir verfolgen zunächst das Rennen weiter auf dem GPS, denn es gibt eine App, mit der man alle Fahrer tracken kann (nein, diese Info haben wir natürlich nicht von der Organisation bekommen). Lange Zeit tut sich bei Walkner nichts und wir machen uns schon Sorgen. Nicht ganz unbegründet, denn wie wir später erfahren, ist er hingefallen und das Motorrad lag so unglücklich auf seinem Kopf, dass er erst von Ricky Brabec befreit werden musste. Zum Glück ist nichts weiter passiert.
Wir tuckern Richtung Ziel und Fahrerlager. Als wir dann unseren obligatorischen Tankstopp einlegen, stehen sämtliche Husqvarnas und KTM auch an der Tanke. Die werden jetzt von den Technikern gefahren und ich frage einen, ob wir nicht Motorräder tauschen wollen. Der sagt in schönstem Österreichisch: „Ah nö dös gehd holt ned!“... Ok, dann fahr ich eben weiter Honda und breche unter dem Helm vor Lachen fast zusammen.
Fazit: Wir können gar nicht glauben, was wir hier alles erleben, wie dicht wir an diese Veranstaltung ran kommen und was für ein riesiges Abenteuer diese Rally für uns ist.
Tag 5 - Etappe 3
Erick ist wieder so nett und übermittelt uns die Koordinaten für die den dritten Teilabschnitt der Rally. Was wir nicht wussten ist, dass es sich um einen besonderen Platz für eine kleine Gruppe
der Presse handelt. Was Erick vermutlich nicht wusste ist, dass dieser Platz zu Fuß eigentlich gar nicht zu erreichen ist. Wir tuckern also wieder im Frühnebel los und wissen, dass unser Ziel in
der Atacama Wüste liegt. Da, wo es heiß ist und es eigentlich nicht viel mehr als Sand gibt. Das GPS zeigt an, dass wir unser Ziel erreicht haben und vor uns tut sich eine riesige – eine wirklich
absurd riesige Sanddüne, von den Einheimischen „der Wal“ genannt, auf. Die Düne von Arcachon, falls die jemand kennt, ist ein klitzekleines Hügelchen dagegen...Ein SXS, also ein spezielles
Sand-Rally-Dünen Fahrzeug versucht schon verzweifelt den Berg zu erklimmen und scheitert mehrfach.
Zu steil, zu sandig. Uta und ich werden blass. Danke Erick, aber wie sollen wir da denn hochkommen? Mist. Es muss einfach toll sein da oben. Wir erkennen klitzekleine Gestalten. Das könnten
Menschen sein. Vielleicht. Sie sind einfach zu klein.
Wir müssen versuchen da hoch zu kommen. Das muss gehen. Und so stapfen wir durch den tiefen Sand und machen schnell die ersten Meter. Ist doch gar nicht so schlimm. 100 Meter später schüttelt Uta mit dem Kopf – Ende Gelände – ich kann nicht mehr. Toll, sie kann noch reden...ich röchel nur noch. Los weiter! Wir schaffen das – aufgeben ist für mich hier keine Option, wenngleich ich merke, dass es lächerlich ist zu denken, dass ein Mensch oder wir diese Düne erklimmen könnten. Na immerhin den scheiß Buggy haben wir schon überholt. Der knödelt weiter unten am Dünenfuss rum und ist sichtlich überfordert. Wir lassen uns in den Sand fallen und ich bin echt sauer auf Erick. Warum gibst du uns solche Koordinaten? Während ich so richtig genervt bin stupst mich Uta an: „Da guck mal, der Mann winkt uns... wir sollen runterkommen, er will uns die Düne hochfahren“... Ich als Skeptiker zeige ihr nen Vogel „ Woran willst du das erkennen?! Der hat nen steinalten Suzuki Jimmy Jeep, der fährt hier nirgendwo hoch!“. „Doch, los jetzt komm....“ und schon setzt sich Uta bergab in Bewegung... Ich rufe ihr noch hinterher, dass es das jetzt endgültig war und unsere letzte Chance, den Berg doch noch zu meistern, passé ist.
Was soll ich machen? Ich düse hinterher, bergab und unten erwartet uns ein dicker, älterer, sympathisch grinsender Mann. Der Jeep ist vollgepackt und er verkündet uns, dass er bereit ist einen (!) von uns die Düne heraufzufahren. A) wird das nicht funktionieren mit der alten Gurke und B) müssen wir da beide rauf. Er grinst wieder. Vale - Ok. Und so quetschen wir uns beide auf den Vordersitz, Utas Kopf hängt aus dem Jeep und ich ringe nach Luft. Eins ist schnell klar: Der nette Herr kennt den richtigen Weg und so bekommen wir noch Nachhilfe in Sachen Dünenbefahrung. Vollgas geht’s los durch den tiefen Sand im Steilflug auf die Düne. Immer wieder rutscht der Wagen zur Seite und Uta macht sich berechtigterweise sorgen um ihren Kopf. Sollte der Wagen kippen war´s das.
Tut er aber nicht und sicher fährt uns der nette Chilene auf den Gipfel der Düne. Ein Blick unter die Motorhaube verrät: hier sind ein paar Extra PS versteckt. Die Reifen haben ebenfalls ein Monsterprofil und so können wir uns nur 1000 mal bei diesem tollen Kerl bedanken. Der kennt die Düne wie seine Westentasche. Später stellt sich noch heraus, das er das erste Roadbook für die Dakar Rally in Chile gebaut hat. Er ist ein echter Rallyveteran, ein Urgestein. Ein netter Mensch.
Wir genießen die wahnsinns Aussicht und den super feinen Sand. Die andere Kiste hat es auch geschafft. Es handelt sich um ein Team von Rally Mundo, die diese Etappe Live via Facebook übertragen. Vor Begeisterung überfährt der SxS Fahrer erstmal den Helm seiner Kollegin. Miese Stimmung vorprogrammiert, das Ding ist sauber in zwei Teile gespalten.Ein weiterer Fotograf hat sich im Gegenhang in Position gebracht. Wir klettern auf den „Gipfelkamm“ der Düne und staunen. Es ist wirklich super schön hier und für uns eine atemberaubende, neue Erfahrung.
Das Gebiet ist endlos einsehbar und so können wir die Fahrer kilometerweit beobachten. Erst als kleine Punkte und dann größer werdend, bis auf wenige Meter mit fetter Sandfontäne direkt an uns vorbei rasend. Rallyaction aus nächster Entfernung.
Einige Stunden beobachten wir die nach und nach eintrudelnden Fahrer und können nur noch ausrasten, als wir sehen wie Pablo Quintanilla nicht den einfachen Weg nimmt, sondern zu uns, die Düne Vollspeed hochfährt und uns aus Spaß einmal komplett mit Sand eindeckt. Ein kurzes Live Interview von uns für „Rally Mundo“ rundet den Tag ab. Ein wahnsinns Tag mit tollem Sport und einmaliger Natur neigt sich dem Ende entgegen.
Tag 6 - Etappe 4
Wir brauchen einen Ruhetag und nehmen uns den auch. Die Fahrer sind auf ihrer Marathonetappe mit Übernachtung unterwegs. Wie wir später erfahren, kommt es da zu einigen Zwischenfällen. Man muss sich das so vorstellen: alle Fahrer, also auch die Top Stars, schlafen gemeinsam in einer Turnhalle. Nun war es aber so, dass die SxS Fahrer nicht schlafen wollten und mit Lärm die anderen müden Athleten nervten. Ein Motorradfahrer will sich das nicht gefallen lassen und so kommt es später zu einer handfesten Auseinandersetzung – andere sprechen sogar von einer Massenschlägerei – mit Blut und aufgeplatzten Lippen. Wer hätte das gedacht!? Ich glaube diverse Fahrer wurden disqualifiziert.
Tag 7 - Etappe 5
Die letzte Etappe führt die Fahrer nun wieder durch die spektakuläre Dünenlandschaft der Atacama Wüste. Für uns gut, denn die Strecke zum Start ist eine kleine Offroadetappe, die auch wir gut meistern können. Die CRFs freuen sich ja immer über etwas Sand. Am Start muss eine steile Sandpiste über ca. 1.000 Meter von den Fahrern überwunden werden, woraufhin eine phantastisches Atacama Panorama zu Tage tritt. Wir klettern ein Stück hoch, um noch einige schöne Fotos zu machen. Echt anstrengend, denn es ist natürlich megaheiß und furztrocken. Einige Stunden später erreichen die Fahrer das Ziel, indem sie eben diese Düne des Startes wieder herunter donnern. Durch den Tiefsand an uns vorbei, steil bergab mit weit über 100km/h – unglaublich! Die Jungs verstehen ihr Handwerk.
So langsam macht sich der Tross wieder auf in Richtung Tierra Amarilla, denn hier findet die Siegerehrung statt. Wir ebenfalls. Zum ersten Mal während der Rally finden sich jetzt auch etwas mehr Zuschauer ein. Es werden Selfies mit den Fahrern geschossen, wobei Lokalmatador und Honda Werkspilot Nacho Cornejo und natürlich Toby Price im Vordergrund stehen. Etwas abseits sehe ich Ricky Brabec im Schatten sitzen. Ich geselle mich zu ihm und wir wechseln ein paar Worte. Er ist nicht ganz zufrieden mit seiner Leistung und ich wünsche ihm nochmal viel Glück für die nächste Dakar Rally. In welcher Sportart kann man so etwas sonst machen!?
Auch die Siegerehrung ist der Hammer! Pablo Quintanilla nimmt seinen Pokal in Empfang und rastet komplett aus. Mit seinen blond gefärbten Haaren sieht er aus wie ein Rockstar und nun geht er auch genauso ab. Die Pommesgabel wird gen Himmel gereckt und der Schampus über den Mitstreitern vergossen. Sam Sunderland kann sich vorzeitig als Weltmeister feiern lassen, was dem KTM-Team natürlich einen zusätzlichen Schub für die nächtliche Party in einer Disco gibt.
Ach ja, zu der werden wir auch noch eingeladen, weil wir ja quasi mittlerweile zum Tross dazu gehören. Die Party geht erst spät am Abend los und zu heißen südamerikanischen Rhythmen lassen Price, Sunderland, Walkner und Co kräftig die Hüften kreisen. Unser Honda Team war da schon lange im Bett. Wir hatten unseren Spaß und erzählen natürlich nicht mehr von dieser Feier. Ein paar Geheimnisse müssen wir schließlich für uns behalten.
Für uns geht eine einmalige Zeit und ein echtes Highlight zu Ende. Wir durften ganz dicht an den Rallysport heran – so dicht wie man es eigentlich nur als Profi oder Teammitglied kann. Wir haben gemerkt, dass Rallyfahrer in der Regel supernette und offene Athleten sind, die wirklich außergewöhnliches leisten. Uns bleibt ein Rätsel, wie man so Motorrad fahren kann. Danke Leute, dass wir dabei sein durften und ihr uns so nett aufgenommen habt.
Chile - Atacama Rally